Skoliose erkennen und behandeln: Alles über die Wirbelsäulenverkrümmung

Redaktion
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Skoliose betrifft viele Menschen – häufig, ohne dass sie es wissen. Die seitliche Verkrümmung der Wirbelsäule kann Rückenschmerzen verursachen, aber mit gezielten Übungen lassen sich Beschwerden oftmals lindern und die Haltung verbessern. Wir zeigen Ihnen, wie es geht.

Eine Skoliose beschreibt eine dauerhafte seitliche Verkrümmung der Wirbelsäule, die oft mit einer zusätzlichen Rotation (Verdrehung) der Wirbelkörper einhergeht. Dabei ist nicht nur die Haltung sichtbar verändert – die Verformung kann langfristig auch Schmerzen und funktionelle Einschränkungen verursachen. Die Ursachen sind vielfältig: Skoliosen können angeboren sein oder sich im Lauf des Lebens entwickeln – besonders häufig geschieht das während der Wachstumsphasen im Kindes- und Jugendalter.

Was ist eine Skoliose?

Skoliose kann sich in ihrer Form unterscheiden. In der medizinischen Fachsprache spricht man von:

  • Idiopathischer Skoliose (ohne erkennbare Ursache – häufigste Form)

  • Kongenitaler Skoliose (angeboren)

  • Neuromuskulärer Skoliose (infolge neurologischer Erkrankungen)

  • Degenerativer Skoliose (im Erwachsenenalter, z. B. durch Verschleiß)

Wer ist betroffen?

„Grundsätzlich ist Skoliose ein oft unterschätztes Phänomen“, sagt Dr. med. Lorenz Wanke-Jellinek, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Skoliose- und Wirbelsäulenexperte und leitender Arzt der WolfartKlinik. „Die Studien zeigen, dass etwa 3 bis 6 Prozent der Menschen in Deutschland und weltweit an einer Form von Skoliose leiden.“

Die idiopathische Skoliose, die häufigste Form, tritt meist bei Jugendlichen rund um das pubertäre Wachstum auf – im Alter zwischen 10 und 16 Jahren. Bleibt man in jungen Jahren von Skoliose verschont, kann sich diese jedoch auch im Erwachsenenalter entwickeln, etwa durch altersbedingte Abnutzungsprozesse oder langjährige Fehlhaltungen.

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Skoliose Symptome: Woran erkenne ich die Verkrümmung?

Eine Skoliose bleibt in vielen Fällen lange unentdeckt – besonders bei Kindern, die schmerzfrei sind. Dr. Wanke-Jellinek und sein Kollege Dr. Krenauer haben einen persönlichen Ratgeber verfasst, der erklärt, wie man die Verkrümmung der Wirbelsäule erkennt und behandelt. Der Skoliose-Experte erläutert, dass sich erste Anzeichen häufig in der Körperhaltung zeigen. „Eltern bemerken oft, dass ein Schulterblatt mehr absteht als das andere, wenn Kinder sich im Sommer in Badekleidung nach vornebeugen,“ so Dr. Wanke-Jellinek.

Typische Skoliose-Symptome:

  • Eine Schulter ist höher als die andere.

  • Ein Schulterblatt tritt stärker hervor.

  • Eine sichtbare Schiefhaltung beim Stehen.

  • Ein Beckenschiefstand oder eine auffällige Hüftstellung.

  • Rückenschmerzen und Verspannungen.

  • Kopfschmerzen oder Knieschmerzen durch Fehlbelastung.

  • Nackenschmerzen durch schiefe Kopfhaltung.

Gerade bei Jugendlichen im Wachstum ist eine frühzeitige Diagnose wichtig. Durch rechtzeitiges Eingreifen kann eine weitere Ausprägung der Skoliose verhindert werden.

Skoliose-Behandlung: Welche Möglichkeiten gibt es?

Die Behandlung einer Skoliose hängt vom Alter der Patientin oder des Patienten, dem Grad der Verkrümmung und möglichen Beschwerden und Symptomen ab.

Konservative Therapieformen:

  • Physiotherapie: Spezielle Bewegungs- und Atemübungen zur Haltungsverbesserung und Muskelkräftigung.
  • Korsettversorgung: Bei fortschreitender Skoliose im Jugendalter kann ein individuell angepasstes Korsett helfen.
  • Schmerztherapie: Bei starken Beschwerden können kurzfristig schmerzlindernde Maßnahmen notwendig sein.  

Operative Behandlung:

In schweren Fällen kann ein chirurgischer Eingriff in Betracht gezogen werden, bei dem die Wirbelsäule mithilfe von Implantaten begradigt und stabilisiert wird.

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Training bei Skoliose: Funktionelle Übungen als Schlüssel

Sport ist bei Skoliose nicht nur erlaubt, sondern ausdrücklich erwünscht – vorausgesetzt, er ist gezielt und individuell abgestimmt. Besonders wirksam sind funktionelle Übungen, die muskuläre Dysbalancen ausgleichen und die Haltung verbessern.

Übungen bei Skoliose: Warum Rückentraining so wichtig ist

„Neben der Korsetttherapie ist die Muskelkräftigung des Rückens und des Rumpfes entscheidend. Das ist das Wichtigste, was man selbst tun kann, um das Auftreten und Fortschreiten von Schmerzen zu verhindern,“ betont Dr. Wanke-Jellinek. Bei vielen Betroffenen entsteht die Krümmung durch eine ungleiche Belastung der Muskulatur: bestimmte Muskelpartien sind zu schwach, andere dauerhaft verspannt. Ein ausgewogenes Training und individuell angepasste Übungen für den Rücken können dabei helfen, dieses Ungleichgewicht zu korrigieren und Beschwerden nachhaltig zu minimieren.

Laut dem Wirbelsäulenexperten sind Sportarten wie Pilates, Klettern, Kraulschwimmen oder Rückenschwimmen empfehlenswert. Vom Brustschwimmen wird abgeraten: „Bei Patientinnen und Patienten mit Skoliose kann es Beschwerden in der Brustwirbelsäule verursachen, da der Nacken überstreckt wird.“ Auch mit Joggen sollte man vorsichtig sein. Dabei treten häufig hohe axiale Stauchungsbelastungen auf, was zu Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule führen kann.

Tipp: Lassen Sie sich von einer spezialisierten Physiotherapeutin oder einem spezialisierten Physiotherapeuten einen Skoliose-Trainingsplan erstellen. Er sollte auf Ihre Wirbelsäulenform abgestimmt sein.

Skoliose-Schmerzen: Was tun bei akuten Beschwerden?

Viele Betroffene leiden unter Schmerzen, die sich je nach Ausprägung oder Krümmung unterschiedlich äußern können – von dumpfen Rückenschmerzen bis zu ausstrahlenden Beschwerden im Nacken oder Knie. Während langfristig der Fokus auf der Ursachenbehebung durch gezielte Übungen liegen sollte, können kurzfristig auch Maßnahmen zur Schmerzlinderung helfen.

Hilfreich kann sein:

Grundsätzlich gilt: Auch bei chronischen Schmerzen ist die Bewegungstherapie ganz wichtig. „Aktive Übungen, Krankengymnastik, Gerätetraining helfen besser als passive Behandlungen wie Massagen oder manuelle Therapie“, sagt Dr. Wanke-Jellinek. „Bei starken akuten Beschwerden können Kinesio-Tapes, Kälteschocktherapien oder Infiltrationen helfen, um den Schmerz zu lindern und Bewegung zu ermöglichen.“

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Die häufigsten Mythen über Skoliose

Rund um Skoliose tummeln sich viele Mythen, die oft zu unnötigen Sorgen führen können. Wir haben den Skoliose-Experten gefragt und klären einige verbreitete Irrtümer auf:

  • Rucksäcke auf einer Schulter

    Ein weit verbreiteter Mythos ist die Sorge, dass das Daddeln am Handy oder das Tragen des Schulrucksacks auf nur einer Schulter Skoliose verursachen könnte. Beides ist zwar nicht förderlich für eine gute und gesunde Körperhaltung. Zu einer Skoliose führt es allerdings nicht.

  • Ständige Schmerzen und Aktivitätseinschränkungen

    Ein weiterer Mythos besagt, dass Menschen mit Skoliose ihr Leben lang unter Schmerzen leiden müssen oder bestimmte Aktivitäten nicht ausführen können. Das ist nicht korrekt. Mit regelmäßigem Training und einer guten körperlichen Verfassung können Betroffene ihr Leben aktiv und weitgehend beschwerdefrei gestalten.

  • Natürliche Geburt und Skoliose

    Zudem gibt es den Irrglauben, dass Frauen mit Skoliose keine natürliche Geburt haben können. Skoliose muss kein Grund für einen Kaiserschnitt sein. Es ist jedoch ratsam, dies im Vorfeld mit der Frauenärztin oder dem Frauenarzt zu besprechen.

Leben mit Skoliose: Alltag, Sport und Lebensqualität

Eine leichte bis moderate Skoliose muss nicht mit gravierenden Einschränkungen einhergehen. Zwar sind Berufe im Pflegesektor oder mit schweren körperlichen Belastungen für Menschen mit Skoliose nicht optimal, doch laut Dr. Wanke-Jellinek können gut trainierte Personen auch schwere Lasten heben: „Das Risiko für Rückenschmerzen ist bei ihnen höher, aber es gibt viele Möglichkeiten, dieses zu minimieren.“ Wichtig sei, regelmäßig Sport zu treiben und die Muskulatur zu stärken.

Trotzdem fühlen sich Betroffene an einigen Stellen missverstanden. „Manchmal werden Rückenschmerzen in der Gesellschaft bagatellisiert“, erklärt Cornelia Pollack, selbst von Skoliose betroffen und Gründerin von skoliosehilfe.com. „Viele machen sich zudem Sorgen um die Zukunft oder schämen sich für ihren asymmetrischen Rücken. Austausch und Wissenserweiterung sind für die mentale und emotionale Stabilität enorm wichtig.“

Ist Skoliose heilbar?

Kurz gesagt: Nein, Skoliose ist in den meisten Fällen nicht vollständig heilbar – vor allem nicht, wenn sie bereits strukturelle Veränderungen an der Wirbelsäule verursacht hat. Gezielte Maßnahmen wie Physiotherapie, Haltungsschulung und ein individuell angepasster Trainingsplan können die Wirbelsäule aber aktiv unterstützen und die Lebensqualität deutlich verbessern. Eine gute Skoliose-Behandlung hat keine Heilung zum Ziel, sondern eine stabile, schmerz- und beschwerdefreie Lebensführung.

Bei Kindern und Jugendlichen im Wachstum ist es sogar möglich, durch konsequente Übungen und Korsetttherapie sichtbare Verbesserungen zu erreichen. Bei Erwachsenen stehen meist die Schmerzreduktion, Funktionsverbesserung und Haltungskorrektur im Vordergrund.

Zu welcher Ärztin oder welchem Arzt bei Skoliose?

Wenn Sie bei sich selbst oder Ihrem Kind Anzeichen einer Skoliose bemerken, ist der erste Schritt der Gang zur Hausärztin oder zum Hausarzt. Diese können eine erste Einschätzung geben und bei Verdacht auf eine Skoliose eine Überweisung zur weiteren Abklärung ausstellen. Die weitere Anlaufstelle ist dann ein Facharzt oder eine Fachärztin für Orthopädie und Unfallchirurgie. Dort kann die Wirbelsäule genauer untersucht und der sogenannte Cobb-Winkel (eine standardisierte Methode zur Messung der Krümmung der Wirbelsäule, insbesondere bei Skoliose) bestimmt werden – meist mithilfe eines Röntgenbildes.

Je nach Befund erfolgt die weitere Behandlung interdisziplinär, etwa durch:

  • Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten (für gezielte Skoliose-Übungen)

  • Orthopädietechnikerinnen und -techniker (z. B. bei Korsettversorgung)

  • Schmerztherapeutinnen und -therapeuten (bei starken Beschwerden)

  • In schweren Fällen: Wirbelsäulenchirurginnen und –chirurgen

Tipp: In vielen Regionen gibt es mittlerweile spezialisierte Skoliose-Zentren oder –Sprechstunden. Besonders für Kinder und Jugendliche lohnt sich die Betreuung durch erfahrene Expertinnen und Experten.

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Veröffentlicht am 08.05.2025

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